Es ist kurz vor dem Beginn der Theater-Aufführung. Plötzlich rennt ein junger Mann durch die wartende Menschenmenge und ruft uns zu sich. Wir sollen abseits der Straße gehen, uns auf der Wiese versammeln. Er spricht zu uns: „Es ist Krieg!“
Wir werden aufgefordert, uns in einer Reihe aufzustellen. „Einer nach dem anderen“, heißt es. „Du nach links, Du nach rechts. Du stellst Dich dorthin und machst sieben Kniebeuge.“ Wenig später stehen wir alle geteilt inmitten der Kirchruine. Das Stück, das eigentlich bereits vor 10 min begonnen hatte, beginnt.
Dicke Mauern, düstere Klänge, Licht und Schatten, wechselnde Positionen der beiden Darsteller versetzen uns atmosphärisch in ein Gedankenexperiment: Es tobt ein Krieg in Europa. Krieg in Deutschland. Ruinen und Bomben; all das ist zerstört, das wir kannten. Die Demokratie hat verloren; die Diktatur ist an der Macht. Wir müssen aus Deutschland fliehen. Nur wohin?
Wir fliehen durch die Gassen der Ruine. „Schneller! Schneller“, ruft er. Die träge Menschenmenge ist endlich draußen angekommen. Doch hier können wir nicht bleiben. Wir erhalten unseren Passierschein, einen dunklen Strich auf der Stirn. So fliehen wir weiter, abermals durch enge Pfade der Ruine, bis wir uns schließlich wieder im Inneren befinden. Endlich sind wir am Ziel angekommen. Wir sind gezeichnet als Menschen dritter Klasse, heimatlos und fremd in einer fernen, unbekannten Welt.
Was bleibt uns? Wie sieht unsere Zukunft aus? Wie viel wollen wir riskieren? Wie weit sind wir bereit zu gehen?
Ein Stück des Staatsschauspiels Dresden nach dem Buch von Janne Teller: Krieg. Stell dir vor, er wäre hier.