Die unterträgliche Leichtigkeit der SD-Karte

Ein Besuch bei der lieben Familie verspricht stets Spannung und Freude, so auch dieses Mal. Gar zu oft schaffe ich einen Besuch ja nicht, aber jedes Mal freut man sich über mein Kommen sehr – ich mich natürlich auch und das liegt nicht nur an dem guten Essen, das pünktlich zur Mittagszeit auf dem Tisch steht.

Mein Herr Vater und ich sind leidenschaftliche Mosaik-Leser. So verspricht mein Besuch 1x im Monat eine neue Ausgabe, die ich gleich gierig verschlinge. Heute blieb mir das leider anfangs verwehrt. Gerade, als ich mich in freudiger Erwartung mit der Ausgabe an den Küchentisch setzte, wurde ich in die Wohnstube gerufen. Er habe mir etwas viel spannenderes zu zeigen. Ich wußte nicht genau, was ich davon halten sollte, aber brav trottete ich ins Wohnzimmer. Er hielt mir seinen Laptop vor die Nase, als hätte ich ihn noch nicht gesehen, obgleich ich auch dieses Exemplar mein Eigen nenne. Verwundert starrte ich ihn an, dann bemerkte ich, daß meine Aufmerksamkeit dem SD-Slot gelten sollte.

Darin befand sich die Speicherkarte aus der DigiCam. Frau Mutter wollte die Daten auf den Laptop überspielen. Die kleine Karte alleine paßte zwar in den Slot, fand dort aber keinen Halt und fiel wieder heraus. Sie besann sich danach, daß es dafür ja eine Art Adapter gibt, suchte und fand ihn auch zugleich. [Mütter sind sehr gute Sucher und Finder.] So recht drängte sich ihr die richtige Variante nicht auf, also probierte sie ein wenig durch, wie herum denn nun die Speicherkarte und Verlängerung zu kombinieren sind, damit es in den SD-Slot paßt. Leider hielt sie das Ende ohne Öffnung für jenes, an welchem sie die Karte reinschieben und wieder rausziehen kann. Die Variante, bei der die Speicherkarte richtig in der Verlängerung steckt, fruchtete so natürlich nicht, also steckte sie die Speicherkarte andersherum in die Verlängerung und versuchte es erneut. Siehe da, diesmal rastete es ein!

Soweit, sogut. Beim Rausziehen staunte sie nicht schlecht, als sie auf einmal nur noch die Verlängerung in der Hand hielt. Herr Vater mußte prompt zur Hilfe eilen. Er versuchte sich mit der Mechanik, holte Schraubenzieher und Nadeln, hebelte, zog und drückte vergeblich. Auch die Variante mit Klebestreifen, an der die Speicherkarte heften bleiben sollte, war vergebens. Bevor er zum Uhu-Alleskleber greifen konnte, traf glücklicherweise ich ein, wurde meiner Mosaik-Freude auf später vertröstet und sollte mit einem goldenen Einfall das Ganze retten können.

Ich griff analog zum Schraubenzieher, drückte, schob und hebelte vergeblich. Da das bereits alles versucht worden war, beschlossen Frau Mutter und Herr Vater zugleich, das Gerät zu einem Fachmann zu bringen. Er würde schon Ahnung haben, wo man schrauben müsse, um an den SD-Slot so heranzukommen, daß man die arme Speicherkarte befreien könne. Allerdings wende ich mich nur ungern an die sogenannten Fachmänner, denn auch die werden keine anderen Mittel und Möglichkeiten haben, als ich nicht auch haben könnte.

Ich stülpte die Verlängerung wieder darüber, immerhin paßt das ja wie die Faust aufs Auge. Herr Vater meinte, er habe sich damit auch bereits vergebens versucht. Aber wie auch ich es zuerst mit dem Schraubenzieher auf eigene Faust versuchte, mußte ich auch hier selbst die Erkenntnis erlangen, ob damit dem Ziel näherzukommen sei oder nicht. Vermutlich fällt das auf den männlichen Stolz zurück. Erst, wenn man selbst etwas nicht schafft, gilt es für einen als unschaffbar – natürlich kann es dann auch kein anderer auf diesen Weg vollbringen. Daß der Mann damit falsch liegt, bewies sich ein weiteres Mal. [Vermutlich wird er dennoch weiterhin so agieren.] Nach einigem Verkanten, Vor und Zurück lockerte sich die Speicherkarte tatsächlich von der Halterung und fiel letztendlich aus dem Slot heraus.

Nach einer kurzen Erklärung an Frau Mutter, wie diese kleinen technischen Meisterleistungen funktionabel und zweckgebunden erfolgreich zu kombinieren sind, durfte ich mich endlich meinem geliebten Mosaik widmen und versank in der Welt der Abrafaxe.

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