Beide Wanderungen hatten ihren Startpunkt am etwa 4 km entfernten Parkplatz. Das Ganze hochgerechnet, hat die Entscheidung dann recht leicht gemacht. Die lange Wanderung wäre mir einfach zu weit geworden, knapp 30 km sind mir dann doch zu heikel mit meinem Knie. So stand fest, daß ich den Súlur (1.213 m) besteigen werde. Am Gipfel wartet auch ein Gipfelbuch. Und der Weg sollen wohl nur etwa 8 km lang sein. Vom Zeltplatz aus sind es allerdings über 1.000 Höhenmeter. Dabei mag ich Berge doch eigentlich gar nicht so.
Soll ich’s wirklich machen oder lass‘ ich’s lieber sein?
Ich redete mir einen taktischen Vorteil ein. Wenn es zu anstrengend oder zu unspektakulär werden sollte, könnte ich jederzeit umkehren. Der Rückweg wäre weitaus leichter als bei der langen, relativ ebenen Tour. Na, sei’s drum. Immerhin hatte ich mich entschieden und wanderte los. Ich hatte etwas Proviant, ausreichend Flüssigkeit und auch Jacken gegen den Wind und die Kälte eingepackt.
Ich brauchte etwa 1:15 min vom Zeltplatz bis zum Parkplatz. Eigentlich war ich da schon relativ fertig und jetzt ging es erst los. Half alles nichts, ich hatte es so gewollt. Weit und breit kein anderer Wanderer zu sehen, der sich diese Tortour antun wollte. Schade eigentlich, dachte ich und folgte den Wegweisern.
Anfang war der Weg noch geprägt von Gräsern, Moos, Steinen und kleinen Gletscherbächen, die teilweise auch überquert werden mußten. Später wurde er zunehmend steiniger, auch streckenweise deutlich steiler.
Nach und nach erspähte ich auch weitere Wanderer. Vor mir schien eine ältere, grauhaarige Frau mit Wanderstöcken zu sein. Ich dachte mir so, wenn die gute Frau das angeht, kann ich ja unmöglich kneifen und muß das auch wirklich durchziehen. Irgendwann hatte ich sie überholt und wunderte mich, daß sie überhaupt soweit gekommen war. Sie wirkte ziemlich gebrechlich.
Kurz darauf kamen mir die ersten „Wanderer“ entgegen. Eine Frau mittleren Alters „joggte“ mir in kurzer Hose und T-Shirt entgegen. Später taten es ihr noch zwei Männer gleich. Ich keuchte und schüttelte innerlich den Kopf. An größeren Steinen machte ich Rast, trank etwas und schnappte nach Luft. Zwei junge Frauen folgten mir in noch gesicherter Entfernung. Ich mußte also wieder etwas mehr Gas geben, denn überholen lassen wollte ich mich nicht.
Etwas später erreichte ich die ersten Eisschollen. Das sah schon spektakulär aus. Aus der nächsten kamen mir zwei Ski-Fahrer entgegen. Ich verstand die Welt nicht mehr und keuchte weiter. Nicht mehr weit, dachte ich und erspähte hinter dem nächsten Hügel einen weiteren. Ohjee. Es kamen mir weitere Wanderer entgegen. Ab jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich mußte das einfach packen.
Das letzte Stück zum Gipfel wurde regelrecht anspruchsvoll. Zuerst mußte ich das Eis überqueren. Bei der Steigung nicht ohne. Der erste Weg war nicht sehr clever. Ich rutschte weg, kehrte um und wählte einen anderen. Diesmal klappte es besser und ich konnte endlich wieder die eisfreien Steine erreichen.
Es blieb steinig, wurde steiler und teilweise sogar etwas rutschig. Ich keuchte beinahe auf allen Vieren weiter. Der Gipfel war zum Greifen nahe und wenig später hatte ich ihn endlich erreicht. Was war ich froh. Was war ich K.O. Ziemlich genau 2 h ab Parkplatz habe ich gebraucht. Ich trug mich japsend ins Gipfelbuch ein (ziemlich zerfleddert) und da kamen auch schon die beiden jungen Frauen an.
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Das ist doch der Gipfel!
Der Ausblick war phänomenal. Diese Anstrengung hatte ich wirklich gelohnt. Ich hatte es geschafft. Ich war oben. Vor mir die Bucht von Akureyri, die sich gen Ozean öffnete und hinter mir die noch höheren Gletscherberge. Die Sonne meinte es gut mit mir.
Auf dem Gipfel traf ich noch einen anderen Deutschen. Wir plauderten eine Weile und wagten dann gemeinsam den Abstieg. Der hatte es in sich. Vermutlich würde ich Muskelkater bekommen, da ich mit meinen Beinen verdammt viel Bremsen mußte. Die Beine zitterten schon. Teilweise rutschte ich weg, konnte mich aber immer noch rechtzeitig wieder auffangen. Etwa ab der Hälte war es dann nicht mehr so steil und es gab sogar hier und da relativ ebene Stellen, so daß sich die Beine kurz ausruhen konnten.
Etwa 1:30 h später war ich wieder am Parkplatz. Leider war keiner der anderern Wanderer (mit Auto) dort, der uns hätte mitnehmen können. So stiefelten wir die 4 km gen Akureyri. Immerhin ging es nur noch leicht bergab, so daß es ab jetzt durchaus angenehm wurde.
Auf halber Strecke kam uns eine Radfahrerin entgegen, die ihr Rad beinahe schob, so langsam war sie unterwegs. Sie fragte uns nach dem Weg und wie lange der Anstieg dauern würde, also ob sie das noch schaffen könne, bevor es dunkel wird. Wir erklärten es ihr, machten ihr Mut und gingen weiter. (Wer bei dem Weg zum Parkplatz schon so K.O. aussieht, wird sich beim eigentlichen Berg bestimmt sehr freuen.)
Die defekte Dusche am Zeltplatz
Nach der wirklich anstrengenden Wanderung wollte ich mich unbedingt waschen. Und auch meine Sachen durchwaschen. Allerdings war die Dusche auf dem Zeltplatz defekt. Eigentlich eine Frechheit, daß die normalerweise auch noch 300 ISK kosten würde.
Ich brauchte also einen Plan B. Katzenwäsche war ursprünglich mein Gedanke, aber nachdem ich so viel geschwitzt hatte, würde das wohl nicht mehr ausreichen. Der Deutsche meinte, daß seine Familie ins Thermalbad wolle, weswegen er alleine den Berg hinauf wanderte. Je länger ich darüber nachdachte, desto lukrativer erschien es mir.
Für 750 ISK (knapp 6 Euro) durfte man das komplette Wohlfühlprogramm genießen. Vorher wird nackt abgeduscht, damit man auch wirklich sauber ist. Wie froh ich darüber war, endlich wieder Wasser, mit Seife waschen. Das tat richtig gut. Es gab im Bad mehrere Hot Tubs, Whirl Pools. Sauna, Eiswasserbecken, etc. Die Hot Tubs-Becken fingen bei 38°C an, gingen bis zu 43°C. Das Schwimmerbecken hatte auch stolze 29°C. Ich war nach etwa 2h Entspannung regelrecht K.O. Der Besucht hatte sich gelohnt. Zufrieden blickte ich auf den Tag zurück.
2 Gedanken zu „Die Besteigung des Súlur“