Wie kam es überhaupt dazu?
Da ich noch nicht so erfahren darin bin, wollte ich mir für den Anfang im fremden hohen Norden keine zu riskante und strapaziöse Tour aufhalsen. Im Trekking-Guide „Island: Trekking-Klassiker“ von Erik Van de Perre werden die fünf populärsten Routen sehr ausführlich beschrieben. Ich habe mich für die relativ „leichte“ zweitägige Tour zum Dettifoss entschieden. Erstens schafft man sie an nur zwei Tagen, da ich insgesamt nur zwei Wochen in Island bin und zweitens sind es nicht so viele Höhenmeter, die man mit kompletten Marschgepäck zurücklegen muß.
Fahrt nach Ásbyrgi
Gestartet bin ich in Akureyri. Dort ging es 8 Uhr morgens mit dem Bus (SBA 641) los nach Ásbyrgi. Sie befindet sich im Norden des Jökulsárgljúfur-Nationalparks und soll der Start meiner Route sein. Das Ziel ist der Wasserfall Dettifoss im Süden.
Die Route 641 ist keine Direktverbindung, sondern macht an diversen Punkten noch Zwischenhalte. Das ist einmal am Wasserfall Goðafoss und dann noch in der Hafenstadt Húsavík. Das Wetter war bombastisch, so wirkte der Goðafoss natürlich sehr beeindruckend. In Húsavík durften wir eine Weile am Hafen herumlaufen. Leider lag im Hafen ein riesiges Schiff, so daß man die gegenüberliegenden beeindruckenden Berge nicht so schön aufs Foto bekommen konnte. Es stiegen auch noch zwei weitere Fahrgäste zu, die sich später als deutsche Abiturienten herausstellten.
Trekking: 1. Etappe
Kurz vor 11 Uhr stieg ich an der N1-Tankstelle in Ásbyrgi aus, so auch die beiden Deutschen. Da sie eine große Kraxe dabei hatten, drängte sich der Eindruck auf, daß sie ebenfalls die Trekking-Tour angehen wollen. Ursprünglich hatte ich vor, den ersten Tag hier auf dem Zeltplatz zu bleiben und mit kleinen Tagestouren das Gebiet hier näher zu erkunden, bevor es am nächsten Tag nach Vesturdalur gehen sollte.
Ich sprach die beiden an und fragte, ob sie gleich los oder erst zum Zeltplatz wollten. Natürlich wollten sie gleich los, denn das Wetter war richtig gut. Ich wägte kurz ab und entschied mich, daß Gesellschaft in Aussicht lukrativer erscheint, zumal ich so auch einen Tag mit bestem Wetter wandern könne. Die folgenden beiden Tage sollten deutlich schlechteres Wetter kriegen, meinte zumindest meine Vedur-App.
Wir entschieden uns für die Route entlang des Flusses Jökulsá á Fjöllum, da es von dort aus eine beeindruckende Sicht auf die Schlucht gibt. Die alternative Route würde entlang der Felsenschlucht Ásbyrgi führen, die wie ein Hufeisen aussehen soll. Ein wenig schade fand ich die Entscheidung, denn wie mir am folgenden Tag bewußt wurde, führt die restliche Tour ja ausschließlich entlang des Flusses. Sei’s drum, beeindruckend war die Aussicht auch dort.
Die Etappe sind etwa 15 km. Im Reiseführer wurden dafür 4-5 h veranschlagt. Da die beiden Jungspunde ein jugendliches Tempo veranschlagten, schafften wir das in deutlich unter 4 h. Was war ich K.O.! Zurückblickend war das nicht sonderlich klug, die ganze Zeit so durchzuhetzen, da man so sich viel zu wenig Zeit für das Genießen der Landschaft genommen hat.
In Vesturdalur angekommen, fanden wir einen recht spartanischen Zeltplatz vor. Es gab 2-3 Liegewiesen-Areale, zwei sanitäre Häuschen mit Toiletten und fließend Wasser sowie das Ranger-Häuschen, das nur für einige Stunden am Tag besetzt ist. Dort erwartete uns eine hübsche Rangerin. Wir bezahlten jeweils 1.400 ISK für die Nacht und legten uns erst einmal in die Sonne auf die Wiese.
Mein Zelt war von der letzten Nacht noch extrem naß (Luftfeuchtigkeit + Atmenfeuchtigkeit = Zelt innen und außen naß), also legte ich es erstmal zum Trocknen raus, bevor ich es aufbaute. Dank der Sonne war es im Nu wieder trocken. Bevor die Sonne hinter den Felsen verschwand, wanderten wir nochmal los. In der Gegend gab es noch zwei kleinere Wanderwege: Hljóðaklettar und Rauðhólar.
Hljóðaklettar sind burgartige Felsen, die bei einem Vulkanausbruch vor 8.000 Jahren entstanden sind, als das Flußbett aufriß und das Wasser der Lava weichen mußte. Viele Basaltsäulen zieren das gesamte Areal. Der Wanderweg ist ca. 5 km lang.
Sozusagen als eine Art Fortführung im Norden befindet sich der Rauðhólar. Dabei handelt es sich um eine Kraterreihe direkt neben dem Fluß. Sie ist ca. 6.000 Jahre alt. Vom höchsten Berg der Kraterreihe hat man wieder einen beeindruckenden Blick auf die Schlucht. Zusammen mit dem Hljóðaklettar sind es wohl etwa 8-9 km, also eine prima Tour, die man auch nur so vom Parkplatz in Vesterdalur angehen kann.
Am Abend wurde es wegen der fehlenden Wolken sehr rasch kalt, als die Sonne gänzlich hinter den Bergen verschwunden ist. Glücklicherweise hatten die beiden Deutschen Jakob und Jonas noch einen funktionierenden Gasbrenner dabei, so konnte ich seit meiner Ankunft in Island mal wieder warm essen. Ich hatte noch eine Tüte Spaghetti Bolognese dabei. Kurz nach 21 Uhr ging es dann ins Zelt.
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Trekking: 2. Etappe
Ich mußte in der Nacht tatsächlich meine Strümpfe anziehen, weil es irgendwann so dermaßen kalt an meinen Füßen wurde, daß ich durchaus Angst bekam, sie könnten unterkühlen. Ich glaube, etwa 3 °C waren die Tiefstwerte. Der restliche Körper wurde dagegen vom Schlafsack gut warmgehalten.
Erst gegen 8 Uhr traute ich mich, einen Arm aus dem Schlafsack zu ziehen, weil die hübsche Rangerin zurückgekommen ist und die Zelte prüfte, ob sie bereits bezahlt haben, also die Aufkleber dran haben oder nicht. Und ich hatte den Aufkleber dummerweise vergessen anzubringen, also kramte ich eifrig, öffnete mein Zelt einen Spalt, lächelte die Rangerin an und präsentierte meinen Zettel.
Ich machte mich anschließend fertig und frühstückte mein Müsli, packte das Zelt (natürlich wieder leicht naß) zusammen. Ich hatte für die zweite Etappe beschlossen, nicht mit den Jungspunden schritt zu halten, sondern mein eigenes Tempo gehen zu wollen. Die beiden brauchten auch deutlich länger, ehe sie am Morgen startbereit waren.
Ich stiefelte also los gen Jökulsá á Fjöllum. Von dort an ging es fast immer entlang der Schlucht an spannenden Steinformationen und an extrem vielen kleinen und größeren Wasserfällen. Das Ziel war knapp 20km entfernt Europas größter Wasserfall, der Dettifoss. Das Wetter hatte sich tatsächlich verschlechtert. Dicke Wolken und immer mal leichter Regen. Ich mußte also den Rucksack regensicher einpacken.
Zwischendrin mußte auch ein Bach überquert werden. An der strömungsarmen Stelle waren er vielleicht 5-6 Meter breit. Es gab keine Brücke, also mußte man sich hier die Schuhe ausziehen und die Hosen hochkrempeln. Zum Glück hatte ich meine Strandschuhe dabei und schon ging’s los. Knapp knietief wurde es an der tiefsten Stelle, also alles im grünen Bereich. Die Wassertemperatur war erträglich, aber um länger darin verweilen zu wollen, war es dann doch zu kalt. Ursprünglich habe ich noch das Stativ aufbauen wollen für einen Schnappschuß, aber von dem Gedanken ließ ich schnell wieder ab.
Inzwischen hatte ich auch zwei Österreicher eingeholt, die ebenfalls mit in Vesterdalur übernachtet hatten. Auf der weiteren Reise übernahm jeder mal die Führung und auch jeder war mal ganz hinten, so daß eigentlich immer jemand in Sichtweite war.
Die letzten 3-4 km waren ziemlich zermürbend. Einerseits hatte man bereits viele Kilometer in den Knochen, andererseits ging es nun auch etwas bergauf (etwa 100 Höhenmeter). Hinzu kommt, daß die Landschaft recht karg wurde – nur noch eine Steinwüste. Mit dem immer wieder auftretenden Sprühregen nahm die Freude doch spürbar ab und man sehnte sich nur noch nach dem Erreichen des Parkplatzes am Dettifoss.
Ich hatte es endlich geschafft! Im Reiseführer wurden für die Etappe 6-7 h veranschlagt. Ich brauchte auch tatsächlich etwa 6 h, da ich zwischendrin diesmal auch einige Pausen mehr machte als am Vortag. Ich sattelte ab, parkte meine Kraxe irgendwo in Parkplatznähe an einer Bank und guckte mir dann die Wasserfälle Dettifoss und Selfoss an. Richtig spektakulär sah es wetterbedingt leider nicht aus. Das Besondere am Dettifoss ist jedenfalls, daß dort das Wasser satte 40 m in die Tiefe rauscht. Es ist sozusagen der europäische Niagarafall.
Wie kommt man vom Dettifoss wieder weg?
Nach der Erleichterung, die Tour geschafft zu haben, gab es allerdings noch das Problem, von dort aus wieder wegzukommen. Es gab hier nämlich nur einen „Zeltplatz“, der nichts weiter als eine wiesenähnliche weitgehend ebene Fläche war, an dem es Trinkwasser-Kankister gibt, die von den Rangern täglich wieder aufgefüllt wird. Ansonsten gab es nur noch das Plumsklo auf dem Parkplatz, das frequentiert von den Touristenscharen genutzt wird.
In Anbetracht des Wetter war eine Übernachtung nicht sehr spannend, denn was will man die ganze Zeit dort anstellen? Normale Linienbusse fuhren nur 12:30 Uhr nach Myvatn und 13:00 Uhr zurück nach Asbyrgi. Es war aber inzwischen schon nach 16 Uhr.
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